Historischer Werdegang und Brauch der Reckendorfer Altweibermühle

= (in der Sage) Mühle, in der alte Frauen wieder in junge Mädchen verwandelt werden

Viele Sagen, Lieder und Sprichwörter ranken sich um das Motiv der Mühle; sie wurde im 16. Jahrhundert bildliches Motiv schwankhafter Verjüngungskuren in der Altweibermühle und der Altmännermühle. In der Karikatur der Reformationszeit werden Mönche und Pfaffen von Tod und Teufel in der Mühle verschrotet. Sie verkehrt die spätmittelalterliche Allegorie von der Hostienmühle, in die das Evangelium geschüttet und das Lebensbrot von den kirchlichen Würdenträgern in Empfang genommen wird.

(Quelle: Brockhaus-Die Enzyklopädie: in 24 Bänden)

Die Wurzeln des alten Volksbrauches der Altweibermühle lassen sich bis ins 16. Jahrhundert zurückverfolgen. Im Volkskundemuseum in Amsterdam, ist dazu ein Holzschnitt zu betrachten. In der Folgezeit gab es verschiedene Darstellungen in Augsburg und in der Gegend um Innsbruck, wo auch heute noch bei „Fasnetumzügen“ die Altweibermühle mitgeführt wird.

In Deutschland taucht sie noch im Freizeitpark Tripsdrill, in Lobitsch (Saale) und in Karlstein auf.

Wie aber kam die Altweibermühle nach 96182 Reckendorf im nördlichen Landkreis Bamberg?

Gesicherte Quellen um diese Frage zu beantworten gibt es leider nicht. Es ist jedoch zu vermuten, dass die damals in Reckendorf ansässigen jüdischen Händler diesen Brauch bei ihren Reisen kennen lernten und mitbrachten.

Wie aus der im Original vorliegenden Chronik hervorgeht gründeten im Jahr 1904 37 Bürger den „Katholischen Arbeiterverein Reckendorf“, des späteren Werkvolks, der heutigen KAB Katholische Arbeiter Bewegung.

Im Winter 1904 haben der erste Präses Kaplan Simon und die erste Vorstandschaft eine Altweibermühle beschlossen und zum ersten Mal aufgeführt. Nach den Aufzeichnungen sollte dieses Faschingsgaudium der Bevölkerung Freude und Abwechslung vom kargen Alltag bringen. Mit den freiwilligen Spenden der Zuschauer – auch wenn sie noch so bescheiden waren – versuchte man in der dörflichen Gemeinschaft Not und Elend zu lindern. Ein Zeugnis unsrer Vorfahren dafür, dass sie nicht zufrieden waren mit dem Tag, wie er kommt, sondern nach Verbesserungen strebten und praktische Hilfen anboten.

Die erste Altweibermühle war auf einem Leiterwagen aufgebaut. Der Prinz in Begleitung von 2 Bajazzos verkörperte Frohsinn und heitere Lebenseinstellung.

Nach 25 Jahren, im Fasching am 11. Februar 1929 wurde die zweite Altweibermühle in Reckendorf aufgeführt.
Die Chronik führt dazu aus, dass trotz der 30° Kälte sich viele Menschen auch aus der Umgebung am Bahnhof gesammelt haben und Prinz Andreas I. (Hopfenmüller),
der mit dem Zug aus Bamberg anreiste, erwartet haben. Im Gefolge des Prinzen rollte die auf einem hartgummibereiften Lastkraftwagen montierte Altweibermühle durch das Dorf. Junge Leute im Kostüm alter Weiber waren über das ganze Dorf unterwegs und Müllerburschen hatten den Auftrag, an bestimmten Stellen die alten Weiber einzufangen. Sie kamen dann kopfüber in den großen Trichter auf der Mühle und wurden dann mit viel Gekrache und Gezeter zu jungen und hübschen Mädchen um gemahlen. Sehnsüchtig wurde die Schönheit von ihrem Bräutigam erwartet und zum Tanz geführt.

Weitere Aufführungen folgten erst nach dem 2. Weltkrieg und zwar:
1955 mit Prinz Georg I (Postler) zum 50zig jährigen der Altweibermühle. Im Gefolge 3 Hofnarren, 6 Mann Bürgerwehr, 10 junge Burschen mit Zylinder und Frack, 6 Müllerburschen und 11 alten Weibern.

1965 mit Prinz Ferdinand I. (Lurz) mit großem Gefolge.

Von 1975 an ist der Ortskulturring Reckendorf für die Aufführung der Altweibermühle federführend.

1975 mit Prinz Josef I. (Losert) mit großem Gefolge.

Der Prinz und sein Gefolge reisten mit dem Personenzug an und wurden am Reckendorfer Bahnhof von der Bevölkerung empfangen. Nach der Schlüsselübergabe bzw. Machtübernahme residierte der Prinz in der von Pferden gezogenen offenen Kutsche über sein närrisches Reckendorf.

1985 mit Prinz Sigi I. (Siegfried Wagner) muss eine Tradition gebrochen werden; Die Deutsche Bundesbahn bedient die Nebenbahnstrecke Breitengüßbach – Maroldsweisach an Samstagen und Sonntagen nicht mehr. Prinz und Gefolge müssen von nun an mit der Kutsche anreisen.

1995 mit Prinz Ludwig I. und ihre Lieblichkeit Prinzessin Erika (Eheleute Langhojer) ebenfalls mit großem Gefolge.

Zum 100jährigem Jubiläum „Altweibermühle in Reckendorf“ im Jahr

2005  hat mit Prinz Marco I. (Schneider) und Ihre Lieblichkeit Prinzessin Simone (Müller) ihr närrisches Volk regiert.

2015 hat mit Prinz Thomas I. (Sebald) und Ihre Lieblichkeit Prinzessin Celina (Emig) über Ihr närrisches Volk regiert.

2025 am Faschingssonntag, den 02.03.25 werden Prinz Dufdy I. (Cristoph Weinkauf) und Ihre Lieblichkeit Prinzessin Tina (Ramer) über Ihr närrisches Volk regieren.

 Zehn Mal wird die historische Mühle malen, um alle „Alten Weiber“ in den Besitz ihrer einstigen jugendlichen Schönheit und Kraft zu bringen.

Nach einer Funktionsprobe am Bahnhofsgelände wird das erste Weib gefangen und der Mahlauftrag vom Obermüller gegeben. Die Müllerburschen schleppen nun das alte Weib auf die Mühle, wo sie unter Schreien im Mahltrichter verschwindet. Die Mühle dreht sich, die Knochen krachen, werden zermahlen und das Wunder lässt nicht lange auf sich warten: aus dem unteren Mühlenausgang tänzelt zum Erstaunen und zur Freude der Zuschauer ein junges hübsches Mädchen hervor. Der Bräutigam erwartet die Schönheit und führt sie zum Tanz vor die Mühle. Den Erfolg dieser „Radkalverjüngungskur“ garantieren die zwanzig kräftigen Müllerburschen. Ungefähr 40 Wagen und Fußgruppen und sechs Tanz-Garden bilden den Gaudiwurm. Mehrere Blas- und Musikkapellen und motorisierte „Sängerwagen“ geben den Ton an und ermutigen zum Mitsingen und Tanzen. Thema des Zuges sind historische Begebenheiten des Dorfes und der näheren Umgebung. Das tolle treiben in den Gassen und im Industriegebiet Knockäcker bieten weitere Höhepunkte. Beim anschließenden Faschingstreiben in der Halle der Schreinerei Hornung sorgen die „Florinos“ für die richtige Stimmung.

Die Altweibermühle ist im weiten Umkreis einzigartig und wird traditionsgemäß nur alle 10 Jahre aufgeführt. Diese seltene Attraktion zieht immer wieder mehrere tausend Besucher aus Nah und Fern an, die sich diese Einmaligkeit in ganz Nordbayern nicht entgehen lassen wollen. Sogar Rundfunk und Fernsehen sind interessiert und haben wieder ihren Besuch angekündigt.

Allein für den Mühlenbetrieb und die Verjüngungskur werden über 100 Akteure, für den Faschingsumzug weitere 500 Akteure eingesetzt. Jeder Verein unterstützt die Bemühungen des OKR um Erhalt dieser Tradition.

Wie im Gründungsjahr ist man auch diesmal der Idee verpflichtet, einen etwaigen Erlös für kulturelle anliegen in der Gemeinde zu verwenden.

Die Reckendorfer Vereine sind für das närrische Volk und alle Besucher bestens gerüstet. Zudem erwartet alle ein heftiger Bonbonregen. „Straßenzapfstellen“ sind eingerichtet und „Marketenderinnen“ sind unterwegs, die für das leibliche Wohl sorgen.